Neue Woche - neue Andacht

„Solange die Erde steht, soll nicht aufhören Saat und Ernte, Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht.“  1. Buch Mose, Kapitel 8, Vers 22

Ich bin wach geworden und habe mich gefragt, wo hat Gott die Arche versteckt? Meine Nächte sind unruhig seit einigen Wochen. Es ist nicht das Coronavirus, welches mich verunsichert, sondern es sind die Menschen um mich herum. Als Autist mag ich nicht gern Veränderungen. Ich bin froh, wenn ich Abläufe kenne und das Verhalten der Menschen für mich vorhersehbar ist.

In der letzten Zeit überschlagen sich die Nachrichten und jeden Tag gibt es Veränderungen. Ich spüre die Aufregung ebenso intensiv wie die Angst um mich herum. Auch ich habe inzwischen Angst. Nein, immer noch nicht vor dem Virus. Ich habe Angst vor der Trauer der Menschen. Was, wenn jemand stirbt, den ich kenne? Wie gehe ich mit der Trauer der Menschen um, die mir nahe sind und die vielleicht jemanden aus ihrer Familie oder dem Freundeskreis verloren haben. Der Tod ist kein gern gesehener Gast in unserer Gesellschaft, obwohl er seit dem Tag der Geburt bei uns ist. Wir reden nicht über das Sterben und den Tod. So ist er verborgen in einer Ecke bis er hervorkommt und uns erschrickt. Früher war der Tod in unserem Haus und das Sterben Teil unseres Lebens. Wie kleine Kinder denken wir, wenn wir die Augen schließen, wird er uns schon nicht finden. Doch plötzlich ist er allgegenwärtig, er wächst mit den Zahlen, die wir täglich lesen. Aber wir sind schlecht vorbereitet. Nein, es sind nicht nur die fehlenden Intensivbetten, die mir Sorge bereiten, sondern unsere Hilflosigkeit im Umgang mit dem Tod. Welche Rituale des Abschieds kennen wir? Welche Worte finden wir für die Fragen der Kinder?

Ich bin wach geworden und habe mich gefragt, wo ist die Arche? Wie kann ich dieser Sintflut entgehen? Wen darf ich mitnehmen? Ehrlich gesagt finde ich nicht einmal die Aussicht auf eine Luxuskreuzfahrt erstrebenswert. Ich möchte nicht so viele Tage wie Noah nur mit der Familie und einem gigantischen Zoo auf einem Schiff verbringen, geschweige denn auf einem riesigen, schaukelnden Holzkahn. Wie jeden Morgen schaue ich die Nachrichten und werde überrollt von Zahlen und Neuigkeiten. Schulen werden geschlossen. Die Menschen werden aufgefordert unter sich zu bleiben, Kontakte zu meiden. Vielleicht hat ja jeder seine Arche? Vielleicht ist die Welt wieder ein Stück heiler, wenn die Sintflut vorbei ist? Große Autohersteller haben die Produktion eingestellt, Flugzeuge bleiben am Boden und wir fahren nicht ans andere Ende der Welt in den Urlaub. Sind Rüstungsfabriken systemrelevant? Oder stellen sie auch die Produktion ein? Wenn viele Wochen keine Waffen gebaut werden, kommt dann der Frieden?

„Solange die Erde besteht, soll nicht aufhören Saat und Ernte, …

Während wir uns vor dem Tod verstecken und hoffen, dass er an uns vorübergeht wie die 10. Plage in Ägypten, wird die Welt um uns herum lebendig. Die Blumen blühen, die Bäume werden grün und die Vögel singen ihr Lebenslied in den schönsten Tönen.
Lasst uns schauen und vertrauen! Da ist Gottes Versprechen und wir können es sehen, wenn wir es wollen. Wir können Gottes Bund mit den Menschen hören, sehen, riechen, schmecken und fühlen. Es ist an uns, auf der Arche zu bleiben und abzuwarten. Noah konnte auch nicht einfach austeigen zwischendurch.

Aber wir dürfen gespannt sein, was sich alles verändert hat, wenn die Taube nicht zurückkehrt. Die Luft wird reiner sein, die Sonne heller und vielleicht kommt auch der Frieden zurück. Die Menschen an den Grenzen Europas sterben auch ohne Virus. Es ist die große Chance für uns alle zu erkennen, dass Rüstungsindustrie nicht systemrelevant ist. Unsere Gedanken und Gebete sollten vielmehr bei denen sein, die die Arche am Laufen halten, die die Kranken versorgen und die Trauernden trösten.

Auch wenn wir ein bisschen das Gefühl haben, dass jeder auf seiner Arche festsitzt, denke ich, es ist eine riesige Arche für uns alle, ein Versprechen Gottes an die Menschen auf dieser Welt.

Alles Gute für Sie weiterhin!

Mit freundlichen Grüßen
Angelika Pittelkow und das Team der Evangelischen Grundschule